“Jährlich vernichten wir in Österreich allein durch Versiegelung die Ernährungsgrundlage von 20 000 Menschen!”, sagte Gerlind Weber, pensionierte Professorin für Raumplanung der Universität für Bodenkultur (BOKU) in Wien, vor Kurzem in einem Interview. Wollen wir das wirklich? Wie wichtig ist es uns, die Möglichkeit zu erhalten, unser Essen vor Ort zu produzieren – indem wir unversiegelte Böden erhalten?
Ich hatte noch das Glück, Gerlind Weber als Professorin erleben zu dürfen. Sie hat mir vor Jahrzehnten das Grundwissen über Raumplanung vermittelt, dass mich heute noch leitet.
Gerlind Weber sagt, dass Teile der Landwirtschaft bis heute ihr Überleben auch durch Liegenschaftsverkauf gesichert haben. Diese Art des Überlebens von Höfen ist so selbstverständlich, dass es meiner Erfahrung nach entweder gar nicht gesehen wird oder eine Art Tabuthema ist. Erstaunlich. Denn ist es ja direkt verlinkt mit den Voraussetzungen, unter denen unser Essen produziert wird.
Die Produktion von Nahrung kann nur dort langfristig gesichert werden, wo Bauern und Bäurinnen auch von dieser Produktion leben können – ohne Boden zu verkaufen. Und sie kann nur dort langfristig gesichert werden, wo unversiegelter Boden uns allen auch etwas wert ist – insbesondere auch allen Grundbesitzer:innen (siehe “Bäuerliche Solidarität – ade?).
Derzeit ist Grünland – unsere Lebensgrundlage! – rein finanziell gesehen viel weniger wert als Gewerbeland oder Bauland. Der Druck umzuwidmen ist finanziell gesehen enorm. Doch was ist denn unser oberster Wert: Geld? Wieso ist uns der ernährungsspendende Boden für Wiesen und Äcker (deutlich) weniger wert als Boden für Gewerbebetriebe?
Boden erhalten ist immer auch eine Wertefrage. Wir alle stehen vor der Frage: Was ist mir wie viel wert, wenn ich über Boden entscheide? Konkret auf Haag heruntergebrochen endet das dann in Fragen wie: Was ist mir in Bezug auf die Grünlandfläche auf der Pramwald-Seite der Gotthamingerstrasse – für die ein Umwidmungsantrag in Gewerbefläche im Raum steht – am meisten wert: Die Flächenerweiterung eines Asphaltwerks? Der Erhalt von unversiegeltem Grünland? Die Landwirtschaftsbetriebe in der näheren Umgebung? Dass ich beim Bürgermeister gut stehe? Dass ich meine Stimme hören lasse? Dass ich meinen Kindern ein Umwelt hinterlasse, die auch sie noch ernährt? Dass ich mich mit Bürger:innen solidarisiere, die für eine lebenswerte Zukunft von Haag den Kopf hinhalten? Dass ich meinen Frieden hab? Und was heißt denn das: Meinen Frieden haben?
Für mich heißt meinen Frieden haben: Einen tiefen inneren Frieden haben, bei dem ich mich in den Spiegel schauen kann. Für mich heißt sich in den Spiegel schauen können: So leben und entscheiden, dass auch die Generationen nach mir noch genügend unversiegelte Böden für den Anbau von Brotgetreide haben.
Autorin: Renate Zauner
Quelle & zum Weiterlesen:
Über unseren Umgang mit der wertvollen Ressource Boden aus Sicht der Raumplanung. Gespräch von Gerlind Weber mit Lisa Altersberger-Kenney und Margit Fischer. Perspektive Landwirtschaft. abgerufen am 12.03.2023
Hits: 69